Bei den allermeisten Menschen sitzt Angst in der Brust. Fast jeder kennt dieses Gefühl der Enge, spitze Stiche, ein klopfendes Herz, Atemlosigkeit, weil sich alles zu verkrampfen scheint. Ich bin da keine Ausnahme. Manchmal sucht sich meine Angst ihren Weg aber weiter durch den Körper, hinauf in den Hals, hinab in den Bauch, an intensiven Tagen sogar bis in Arme und Beine. Am stärksten aber bleibt sie immer in der Brust. Sie ist wie eine dicke Schlange, die sich schwer um meine Schultern auf den Brustkorb legt und mir dabei unablässig ins Ohr zischt, als wolle sie mir etwas zuflüstern. Ich kann ihr Flüstern aber nicht verstehen, weil es in meinem Kopf meistens schon zu laut dafür ist. Da überschlagen sich Sorgen mit Zweifeln und anderen Gedanken, die mit ihren Reden die Schlange überhaupt erst heraufbeschworen haben und sie nun Tag für Tag füttern, so dass sie immer fetter wird. Das Zischen wird lauter, je stiller es um mich herum ist - wenn ich (zu viel) Zeit für mich habe oder wenn ich nachts im Bett liege und alles dunkel ist.
Ich mochte Abende und Nächte immer - in Ruhe schreiben oder arbeiten, sich durch Nächte tanzen, Sterne sehen. Jetzt macht mir die Dunkelheit Angst. Ich verbinde sie mit Einsamkeit und Beklemmung. Sie ist die Farbe meiner negativen Gedanken und war zu oft Zündstoff für das Pulverfass, auf dem ich seit einer Weile täglich sitze.
Die dunklen Gedanken wandern vom Kopf hinab in die Brust, wo sie mir vorgaukeln, keine Luft mehr zu bekommen, wo sie mein Herz anfeuern, bis es Seitenstechen bekommt und über seine eigenen Beine stolpert. Gedanken, die im Hals stecken bleiben, versuche ich, gar nicht erst weiter hinab kommen zu lassen. Manchmal muss ich sie aber auch hinunterschlucken und dann schlagen sie ihre Wellen im Bauch. Wellen, auf die das Säuseln der Schlange an meinem Ohr wirkt wie ein stürmischer Wind, der sie sich auftürmen und abfallen lässt, hoch und runter, immer fort.
Indes herrscht im Kopf ein Gewitter oder es bildet sich ein dichter Nebel. Während im Gewitter alles gleichermaßen unter Spannung steht, scheinen sich im Nebel Kopf und Körper zu widersprechen. Der eine tobt, im anderen verdichtet sich feucht-kalte Luft zu wabernder Unwirklichkeit. Vielleicht versucht mein Kopf, das tosende Meer mit einem vernebelten Himmel zu beruhigen, aber die grauen Schwaden in meinem Kopf machen mich zu einer Blinden im Unwetter meiner Angst. Um die Wellen zu beruhigen, muss ich den Wind unter Kontrolle kriegen. Also muss ich der fetten Schlange gegenübertreten und sie bezwingen, indem ich ihr direkt in die Augen sehe. Als ich mich das zum ersten Mal getraut habe, habe ich mir selbst in die Augen gesehen.
Seither ist meine See nicht mehr so rau, wie zuvor. Die fette Schlange ist weiterhin da, aber wie sollte es auch anders sein. Es ist gut, dass sie da ist, denn sie will mich beschützen. Ich habe nur verlernt, ihr zu vertrauen. Ich habe verlernt, mir selbst zu vertrauen. Vielleicht schon vor längerer Zeit, vielleicht konnte ich es aber auch noch nie so richtig. Vertrauen zu lernen erfordert Zeit. Und Kraft. Und Mut. Und ich möchte mich bei euch bedanken, die ihr mir dabei helft, die nötige Kraft und den nötigen Mut immer wieder aufzubringen, indem ihr mir zuhört, mich ablenkt oder mit mir lacht. Indem ihr mir sagt, dass ich Dinge schaffen kann und mir zeigt, dass man mir vertrauen, mich sogar lieben kann.
Ich weiß, dass es für euch oft schwer sein muss, zu verstehen, was in mir vorgeht und, dass ihr euch deshalb manchmal hilflos fühlt. Ich hoffe, mein Text erleichtert euch das Verstehen und ich möchte euch auch sagen, was mir am meisten hilft: Zu wissen, dass ihr da seid. Dafür danke von ganzem Herzen.